Institut

für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN)


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Tagesexkursion nach Hamburg am 29.11.2923

Selbstständige Malerin, Werkstattleiterin, Netzwerkerin – die vielfältigen Handlungsspielräume und Werdegänge europäischer Künstlerinnen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert zeigte das Bucerius Kunst Forum Hamburg in der Ausstellung „Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten“ von Oktober 2023 bis Januar 2024. Die hier eingebundenen Werke wurden bereitgestellt von verschiedenen internationalen Museen und Galerien unter anderem aus Wien, Basel, Antwerpen und London.

Die Exkursionsgruppe auf dem Rathausmarkt - ein Besuch des Weihnachtsmarktes durfte natürlich nicht fehlen. © Amelie Pohlmann

Mit einer Gruppe interessierter Studierender besuchten Dr. Johannes Ludwig Schipmann und Marcel Lewerentz als Exkursionsleiter Ende November das Forum direkt neben dem Hamburger Rathaus. Zusätzlich zu einer einstündigen Führung und kunsthistorischen Einordnung einzelner Werke bestand anschließend die Möglichkeit, selbstständig dem Wirken namhafter Künstlerinnen wie Lavina Fontana, Angelika Kaufmann und Sofonisba Anguissola nachzuspüren. Wie der Ausstellungstitel bereits ankündigte, lag der Fokus auch auf dem sozialen Umfeld der kunstschaffenden Frauen. So waren diese besonders eingebettet in Wirkungsbereiche von Vätern, Brüdern, Gildenmeister, Ehemännern und Söhnen und befanden sich auf der einen Seite in Abhängigkeiten von diesen Beziehungen, profitierten aber auch von Förderungen, Kontakten und Aufträgen durch ihre männlichen Fachkollegen.

20 Jahre alt war Catarina van Hemessen (1527/1528-nach 1583), als sie sich 1548 vor der Staffelei malte und so erstmalig ein Selbstbildnis schuf, das eine malende Person bei der Arbeit zeigt. Den Stil ihres Vaters Jan Sanders van Hemessen, der sich durch unterschiedliche Helligkeiten in der Hintergrundgestaltung von Gemälden auszeichnete, erlernte und übernahm sie und experimentierte mit dazu kontrastierendem Schatteneinsatz. Besonders eindrucksvoll zeigte sich diese Arbeit mit Hell-Dunkel-Kontrast im „Portrait einer Dame“, das etwa 1551 entstand und in der Ausstellung einem Werk des Vaters von Catarina zur Seite gestellt war.

Von ihrem berühmten Vater Tintoretto erhielt auch Marietta Robusti (vermutlich 1554/55-1590) eine künstlerische Ausbildung, arbeitete in seiner Werkstatt und malte unter seinem Auftrag Gemälde. Die Konventionen der Zeit bedingten es, dass für kunstschaffende Frauen nur bestimmte Kunstgattungen erlaubt waren, darunter vor allem die Blumen- und Landschaftsmalerei. Teilweise unter Strafen standen die Verwendung von Ölfarben, das Erstellen von Historienbildern oder die Verarbeitungen biblischer Themen – mit Blick auf einige der ausgestellten Werke wurde deutlich, dass sich zahlreiche Künstlerinnen zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert diesen Beschränkungen widersetzten.

Am Beispiel von Giovanna Garzoni wurde deutlich, dass Künstlerinnen nicht immer zwangsläufig in Abhängigkeiten zu Männern stehen mussten, um erfolgreich zu sein: Giovanna etablierte sich nach der Trennung von ihrem ebenfalls als Künstler tätigen Ehemann Tiberio Tinelli als Malerin und arbeitet unter anderem für die Medici. In der Position einer Hofmalerin nahm Giovanna wie manche ihrer Kolleginnen nicht nur Auftragsarbeiten entgegen, sondern verdiente ihr Geld durch Kunstunterricht für die Angehörigen der Adelsfamilien und nahm als Teil des Hofes an Festen und Geselligkeiten teil. Die Ausstellung zeigte einige ihrer Stillleben, die durch Realismus beeindruckten. Ein Beispiel für die naturnahe Arbeit ist das Werk „Chinesische Porzellanplatte mit Kirschen“ (genaues Datum unbekannt).

Detailansicht des Stadtmodells. © Amelie Pohlmann

Wenngleich die Portraitmalerei für Frauen in der Frühen Neuzeit ungewöhnlich war, so beinhaltete die Ausstellung doch einige Werke, in der die jeweilige Künstlerin sich mit Staffelei (wie im Falle von Catarina van Hemessen), als zentrale Figur im Familienbildnis (so Mary Beale) oder im Zusammenhang mit weiteren Gegenständen darstellte, die auf Talente referierten. Neben Sofonisba Anguissola zeigte sich unter anderem Lavinia Fontana selbstbewusst mit Notenblatt am Spinett. In der kunsthistorischen Forschung wird diskutiert, ob diese Art der Selbstdarstellung mit Symbolen und Gegenständen der „schönen Künste“ den Künstlerinnen auch als Werbung für potenzielle Ehemänner diente.

Insgesamt wurde in der Ausstellung deutlich, dass sich die darin präsentierten Künstlerinnen des 16. bis 18. Jahrhunderts stets im Spannungsfeld zwischen Beeinflussung, Förderung sowie Abhängigkeit von den sie umgebenden Männern und Autonomie, Erschließung beziehungsweise Besetzung neuer Räume in der Kunst und individuell-künstlerischer Entwicklung bewegten. Sie eigneten sich bestehende Techniken an, probierten neue aus, formten ihre Karrieren mithilfe ihrer Netzwerke, arbeiteten in Werkstätten oder betrieben ihre eigenen und gerieten trotz dieser Leistungen und ihrer Bekanntheit zu Lebzeiten über die Jahrhunderte größtenteils in Vergessenheit.

Marcel Lewerentz brachte den Teilnehmenden in einer kleinen Führung die Hamburger Stadtgeschichte näher, so unter anderem den Domplatz nahe der Petrikirche. © Amelie Pohlmann

Umrahmt wurde der Ausstellungsbesuch von einer kleinen Stadtführung durch Marcel Lewerentz. Nach Ankunft am Hamburger Hauptbahnhof war die erste Station die Mönckebergstraße, von der aus man verschiedene Kirchtürme – so unter anderem die der Petrikirche und der Jacobikirche – sehen konnte. Mit einer Gesamthöhe von 132 Metern (St. Petri) und 125 Metern (St. Jacobi) gehören beide zu den höchsten Sakralbauten der Welt. Auf dem Rathausplatz erläuterte Marcel Lewerentz dann die städtebauliche Entwicklung der Hamburger Altstadt und die Besonderheiten an der historistischen Fassade des Rathauses. Wer schon bei der Hamburg-Exkursion im März dabei war, fand hier Anknüpfungspunkte und erinnerte sich an die zentrale Frauenfigur der Hammonia, die in der Mitte über der Eingangstür abgebildet ist.

Nach dem Forumsbesuch durfte ein Abstecher auf den Weihnachtsmarkt direkt auf dem Rathausplatz nicht fehlen, bevor im Anschluss ein Halt am Stadtmodell in unmittelbarer Nähe zum Forum Aufschluss über die Bebauung des Altstadtkerns gab. Von hier aus ging es an der Petrikirche vorbei zum Domplatz, auf dem – anders als der Name es vermuten lässt – keine Kirche mehr steht, sondern weiße flache Rechtecke die Stellen der ehemaligen Stützpfeiler einer solchen Kirchen markieren. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts befand sich hier der Mariendom; zudem wird vermutet, dass dies auch der Standort der sogenannten Hammaburg, einem Siedlungskern Hamburgs, gewesen sein könnte.

Die von uns besuchte Ausstellung „Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten“ ist ab dem 2. März in Basel zu sehen. Für Interessierte hat das Bucerius Forum die Biografien von sieben der etwa 30 präsentierten Künstlerinnen in Form von digitalen Essays zusammengestellt. Dieser ist einsehbar unter folgendem Link: readymag.website/u2545770170/4403846/

Amelie Pohlmann